Vor 180 Jahren: Erste Briefmarken und vorausbezahlte Briefumschläge erreichen die Schweiz!
Im Sommer 1840 war Johann Heinrich Anton von Salis-Zizers (*1805 †1858) vermutlich stark überrascht, als der Postbote in Zizers den dekorativen Briefumschlag aus dem irischen Tandragee dem Schlossherrn in Zizers überreichte. Was war denn das für ein ungewöhnliches Bildmotiv auf dem Brief? Bei genauerem Hinschauen konnte „His Excellency, Count John de Salis, au Chateau de Zitzers, pres de Coire, Canton des Grisons“ die künstlerische Darstellung des Britischen Weltreichs von William Mulready erkennen. Mulready war einer der populärsten Künstler im Vereinigten Königreichs in den frühen Jahren des 19. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt war Britannia, die ihre geflügelten Boten mit Post zu Lande und zu Wasser in alle Richtungen des Britischen Weltreichs schickte. In den Westen nach Amerika zu den ausgewanderten britischen Farmern, und in den Fernen Osten nach Indien. Aber warum gelangte ein solcher Brief in die Schweiz? Zusätzlich klebte eine blaue Briefmarke mit dem Kopf der Königin Victoria in der linken Ecke. Zahlreiche Stempel und Gebührenvermerke zeigten, dass der Brief am Ende einer weiten Reise sein Ziel erreicht hatte.
Was Johann von Salis-Zizern damals wohl nicht ahnte war die Bedeutung, die der Brief für die Kommunikationsgeschichte und die Philatelie der Schweiz im Jahr 2020 erlangen würde. Denn heute ist der Brief einer von zwei bekannten im Jahr 1840 in die Schweiz gelaufenen Briefen mit einem Exemplar der ersten Briefmarkenausgabe der Welt und der einzige noch existierende in die Schweiz gelaufene Mulready Ganzsachenumschlag. Ein Unikat also!
Der Absender in Irland hatte den Brief an den Schlossherrn von Salis-Zizers im Voraus bezahlt. Dafür verwendete er einen nach der Britischen Postreform im Mai 1840 erst seit wenigen Monaten verfügbaren ‚Gebührenzettel‘ zu 2 Pence und einen der neuen mit einem Penny vorausbezahlten Umschläge zu 1 Penny mit der künstlerischen Darstellung des Britischen Weltreichs von William Mulready. Doch am Postamt in Tandragee stellte der Ansender fest, dass das Porto in die Schweiz viel höher war als die mit Briefmarke und Umschlag vorausbezahlten 3 Pence. Es fehlten noch weitere 11 Pence, fast ein halber Tageslohn in der damaligen Zeit. Doch für viele zusätzliche Briefmarken war auf dem Brief kein Platz ohne die künstlerische Darstellung oder die Adresse zu überkleben. Also bezahlte er den restlichen Betrag 11 Pence am Postamt in bar. Damit war der Brief zumindest bis zum französisch-schweizerischen Grenzpostamt Hüningen bezahlt. Weiter war eine Vorausbezahlung damals aufgrund fehlender Postverträge zwischen den betroffenen Staaten nicht möglich. Für die Beförderung ab der französischen Grenze bis zum Schloss Salis-Zizern musste der Schlossherr als Brief-Empfänger deshalb zusätzlich bezahlen.
Schloss Salis-Zizers wurde vor 330 Jahren erbaut. Es war der Sitz des Adelsgeschlechts Salis-Zizers, das dort bis zum Ende des 19. Jahrhunderts residierte (Bild oben: Zimmer im Schloss Salis-Zizers). 1899 zog das Alters- und Pflegeheim St. Johannis Stift in das Schloss (Bild rechts). Daneben fand der bayrische König Ludwig mit seiner Familie und grossem Gefolge nach dem Ersten Weltkrieg Zuflucht im Schloss. Die berühmteste Bewohnerin war vermutlich die letzte Kaiserin von Österreich, Zita von Bourbon-Parma, die ihren Lebensabend im Alters- und Pflegeheim St. Johannis-Stift verbrachte.
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